Die schwarze Seele [Nebriandel]

[Aestiva]

Die Sonne geht auf und wirft die ersten Lichtstrahlen in den Turm der Burg Humberton.
Rahman ibn-Shan lässt die Feder auf den Eichentisch sinken und betrachtet nachdenklich die geschriebenen Anweisungen auf einem Pergament. Eine Bedienstete klettert in diesem Moment die Leiter hinauf. Unter ihrem Arm hat sie Siegelwachs und ein juwelenbesetztes Kästchen geklemmt.
Mit drei Schritten durchquert sie dass kleine Turmzimmer und legt dem obersten Rashkam die Gegenstände auf den Tisch, ehe sie wieder verschwindet. ibn-Shan breitet die Pergamentrollen auf seinem Schreibtisch aus und studiert diese nochmals.

Die Sonne schiebt sich langsam gänzlich über den Horizont und verbreitet ein warmes und mildes Licht im Tal zu Humberton. Als sieben Gestalten den Weg zur Burg Humberton hinaufstapfen. Ihre Gesichter sind unter weite Kapuzen gehüllt, ihre Körper sind von langen Mänteln in den unterschiedlichsten Farben bedeckt. Glitzernder Tau bedeckt die Ärmel und Beine der Gestalten.
Nach einigen Minuten erreichen Sie die Burg Humberton, die Tore öffnen sich ohne ein Quietschen, unaufgefordert, fast geisterhaft.
Die Wächter nicken nur knapp als die Sieben von Wind und Wetter gezeichnet in den Innenhof der Burg schreiten.

Der oberste Rashkam steht nun an einer der Schussscharten im Turm die in den Innenhof reichen. Ein leichtes Lächeln umspielen seine Lippen als er sieht was vor sich geht. Er begibt sich zu seiner Holzbank und setzt sich wieder an den Schreibtisch. Nimmt die Feder, tippt diese in Tinte und beginnt zu schreiben.

Entlang des Vorraumes, die Treppe hinauf, durch die Halle von Haras, über den Wehrgang, hinauf in den Turm schreiten die Sieben voran. Die Wächter zollen ihnen mit tiefen Verbeugungen und versteinerten Mienen gebührenden Respekt. Im Turmzimmer angekommen, stehen sie nun in einer Reihe vor dem Rashkam Rahman ibn-Shan.

Kurz sieht der Rashkam auf, erhebt sich dann und stellt sich vor die Gestalten.
Nach und nach sieht er jedem in die Augen, nickt zufrieden und nimmt dann vom Schreibtisch das erste von sieben Bündeln und gibt es der ersten Gestalt.
„Iffahr javfa’s la Sinfar’ii jeman Noua’k Imes!“
Die Gestalt nickt nur ergeben. Jedem gibt er ein Bündel und spricht die gleichen Worte.
Jeder nickt dem obersten Kriegsherrn ergeben zu.
Als er das letzte Bündel übergeben und das letzte Wort gesprochen hat stellt er sich wieder vor den Tisch. „Ich wünsche keine weiteren Verzögerungen, erfüllt euer Gelübde aber seht euch vor.“
„Dim’ez Jall’as Rashkam!“ Donnert es schnell und hart im Turm aus den Mündern der Sieben. Der Rashkam nickt und die Gestalten beginnen die Treppe hinab zu steigen, wieder im Hof angekommen verlassen sie die Burg durch das Tor.

Rahman Ibn-Shan, Oberster Rashkam, Kriegsherr der Legion, Wächter der Zweiturmbrücke am Schwarzfluss. Hüter der südlichen Schwarzberge im Auftrag seiner Majestät dem König von Andurien, stand an der Turmscharte und trank Tee.

Ruhe kehrt ein.
Ein aufmerksamer Beobachter hätte wohl folgendes festgestellt: „Sie kamen und es wurde Still, sie gingen und es war Still. Aber wenigstens der Hund bellte wieder.“

von Nebriandel