von Aestiva am Sa 22. Dez 2007, 23:16
Vergeltung
Vergis schlug den aus seinem Traum bekannten Waldpfad Richtung Dunkelelfstadt ein. Der dunkle Pfad war überwuchert von Pflanzen, und er hatte Mühe, sich durch das Dickicht zu kämpfen. Immer wieder schlang sich das Unkraut um seine Beine und nötigten ihn zum Fall. Als er fluchend aufstehen wollte, hörte er zwei Stimmen. Die eine klang ruhig und überlegen, die andere hingegen eher nervös und kam ihm sehr bekannt vor.
Vergis blieb am Boden und kroch vorsichtig in das Dickicht, um von dort unbeobachtet lauschen zu können.
Er sah die beiden sich unterhaltenden Gestalten nicht, konnte aber zumindest eine Stimme dem Ritter zuordnen.
"Ich weiss nicht, ob ich Euch überhaupt trauen kann", hörte Vergis den Ritter sagen.
"Nein, könnt Ihr nicht, aber im Moment habt Ihr keine andere Wahl, wenn Ihr den Kopf des Totenbeschwörers, der Euch in der Vergangenheit nur Gelächter und Respektlosigkeit seitens des Volkes eingebracht hat, haben wollt."
Vergis horchte auf.
Der Ritter schnaufte: "Ich habe mich lange genug zum Narren gemacht. Ihr könnt damit aufhören, mich hier zu demütigen und mir sagen, was zum Henker mich dazu gebracht hat, Euch zu teffen!"
"Ich will Euch helfen, den Nekromanten zu ergreifen."
"Und warum wollt Ihr mir helfen? Aus reiner Nächstenliebe?"
"Nein, ich muss mich von seinem Tod überzeugen."
Der Ritter lachte.
"Er hat sich selbst mit Eurem Volk angelegt? Ich dachte immer, er hätte seine eigene Beziehung zu den Dunkelelfen."
"Nein. Das habe ich nicht gesagt, ich verfolge eigene Interessen, nicht die meines Volkes."
Vergis wurde unruhig. Er wußte sehr wohl, daß sich das Gespräch um ihn drehte, aber er hatte keine Ahnung, wer dieser Dunkelelf war.
"Euch möchte ich nicht zum Feind haben", amüsierte sich der Ritter "ich meine, mit Euch an meiner Seite erledige ich ihn im Handumdrehen."
"Konzentriert Ihr Euch auf Eure Sache und überlasst mir den Rest."
"Hm, aber wie finden wir nun heraus, wo sich der Knabe aufhält?"
"Ich habe dafür gesorgt, daß er uns findet."
Der Ritter gluckste, und Vergis erinnerte dieses Geräusch an ein eierlegendes Huhn. Nun wurde Vergis die Bedeutung seines Traumes klar. Es handelte sich lediglich um eine Falle. Dieser Dunkelelf musste sich demnach in sein Bewußtsein eingeschlichen haben und ihm die Wichtigkeit seiner Reise zur Dunkelelfstadt einsuggestiert haben. Dabei sollte er auf halbem Wege überwältigt und getötet werden.
Ihm war der Dunkelelf völlig unbekannt, nie hatte er in der Vergangenheit einen anderen als seine Blue zu Gesicht bekommen, nie war er auch nur in die Nähe der Dunkelelfstadt gekommen. Nein, der Wunsch des Elfen, Vergis tot zu sehen, musste andere Hintergründe haben.
"Nun, mir sind immer noch nicht Eure Beweggründe klar, aber Ihr seid mit den gleichen Wassern gewaschen wie ich", verkündete der Ritter stolz. "Wie sind die weiteren Pläne? Warten wir hier ab? Legen wir uns auf die Lauer?"
"Wir warten hier und legen uns nicht auf die Lauer. Oder habt Ihr Angst?"
"Angst? ICH?", rief der Ritter empört aus "wenn Ihr mir jetzt nicht vom Nutzen sein würdet, würde ich Euch auf der Stelle mein Schwert spüren lassen!"
"Jaja", seufzte der Dunkelelf.
Vergis dachte kurz nach. Sie schienen zwar mit ihm zu rechnen, wußten aber anscheinend nicht, daß er sich schon die ganze Zeit in der Nähe aufhielt. Vielleicht sollte er einen Überraschungsangriff wagen. Vielleicht sollte er sich aber einfach nur wegschleichen. Denn wie sahen seine Chancen aus? Mit dem Ritter alleine würde er fertigwerden. Aber er wußte nicht, welcher Klasse der Elf angehörte.
"Ihr wartet hier", meinte der Elf schließlich.
"Wo geht Ihr hin?"
"Ich werde mich ein paar Schritte weiter aufwärts aufhalten, damit er uns nicht hinterrücks angreifen kann"
"Kluge Idee"
Der Abstand war seine Chance. Vergis stand auf ...
"Magier, sagt mir nur noch eines ... wieso habt Ihr mich in Euren Plan eingeweiht?"
... er begann einen Zauber zu sprechen ...
"Weil ich einen Lockvogel brauchte ...", sagte der Elf ohne sich noch einmal umzudrehen.
"Was zum ..."
Doch der Ritter wurde unterbrochen. Vergis schwächte ihn mit seinem Zauber so sehr, daß er taumelnd Richtung Baum ging, um dort Halt zu finden. Er nutzte den Überraschungseffekt um einen weiteren Zauber zu sprechen, der dem Ritter die Luft zum Atmen nahm. Kraftlos sackte er zusammen. Genugtuung malte sich auf Vergis Gesicht ab. Voller Haß und Rachegelüste bemerkte er den Magier nicht, der nun hinter ihm stand.
"Nun habt Ihr endlich Eure Ruhe, nicht wahr?", flüsterte er Vergis ins Ohr.
Vergis fuhr zusammen und drehte sich erschrocken um. Diese Gelegenheit nutzte der Ritter, er sammelte seine letzten Kräfte und zog sein Schwert. Mit einem wütenden Aufschrei holte er aus - Vergis drehte sich wieder zum Ritter - und rammte ihm sein Schwert in den Bauch. Der Ritter brach zusammen. Vergis zog sich das Schwert heraus und hielt seine Hand vor den Bauch. Blut rann herunter, er konnte es mit seiner Hand nicht aufhalten. Er schaute zum Ritter, der sich keuchend auf dem Boden wand. Vergis sah in das schmerzverzehrte Gesischt, seine Muskeln zuckten unkontrolliert, er stöhnte und Schaum bildete sich um seine Mundwinkel... wie ein tollwütiges Stück Vieh.
Die Bilder verschwammen. Vergis wurde schwindelig, er verlor zuviel Blut. Er schaute zum Magier, dieser erwiderte seinen Blick, aber seine Gesichtszüge waren eiskalt und regungslos.
"Wer ... wer seid Ihr", bemühte Vergis seine Stimme klar zu halten.
"Mein Name ist Meijones", erwiderte der Dunkelelf.
"Ich kenne Euch nicht"
"Das braucht Ihr auch nicht. Ich habe von Euch gehört und das reicht."
Vergis hatte Mühe seinen Worten zu folgen und auch in seinem derzeitigen Zustand hatte er nicht das Interesse, nachzufragen. Er würde schon dahinterkommen, was der Magier von ihm wollte. Irgendwann ... irgendwann ... aber zuerst wollte er ausruhen. Müdigkeit überwältigte ihn, und seine Beine gaben einfach unter dem Gewicht seines Körpers nach. Er musste liegen, nur für einen kurzen Moment. Doch zuerst ... er fühlte den Puls des Ritters. Dieser schlug nur noch sehr schwach. Allzulange konnte es nicht mehr dauern. Solange würde er es doch schaffen, wach zu bleiben. Auf diesen Moment hatte er seit Jahren gewartet und nun, wo es endlich soweit war, wollte er ausruhen und schlafen? Nein, nur noch ein paar Minuten wachbleiben, erst wenn der Tod des Ritters sicher war, konnte er ausruhen ... erst dann.
Meijones beobachtete den schwerverletzten Vergis, der alle Mühe hatte, gegen die bevorstehende Bewußtlosigkeit anzukämpfen und den danebenliegenden sich nicht mehr regenden Paladin.
Blinder Hass und blinde Wut ließen diesen Totenbeschwörer unvorsichtig werden. Meijones war sich sicher, daß Vergis unter anderen Umständen mit mehr Überlegung herangegangen wären. Aber genau das war Meijones Plan gewesen. Er wußte, daß sich Vergis die Chance nicht nehmen lassen würde, den Ritter anzugreifen. Und er hatte ihn den Ritter ausgeliefert. Ein Opfer gebracht. Nun hatte er die Möglichkeit, sich genau mit Vergis auseinanderzusetzen. In seine Gedanken einzudringen und sich der Macht zu stellen, die von Vergis angeblich Besitz ergriffen hatte.
Aber so sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht durch. Eine Art Schutzbarriere hatte sich gebildet und Meijones prallte regelrecht an ihr ab.
Vergis war körperlich angegriffen ebenso wie emotional. Wieso konnte er in diesem Moment der Verletzbarkeit keinen Weg in seine Gedanken finden?
Er versuchte es erneut:
"Auf diesen Moment habt Ihr so lange gewartet, nun ist es endlich vollbracht. Der Ritter, der Euch Tag und Nacht in Euren Träumen verfolgte und quälte, ist nun endlich erlegt. Ist das nicht ein befreiendes Gefühl? Und wenn Ihr Eure Verletzung überleben solltet, könntet Ihr Euch anderen Sachen widmen, wie zum Beispiel Euren Sohn beim Wachsen und Gedeihen zusehen?"
"Meinem ..."
"Sohn ... ja", vollendete Meijones den Satz. "Nun, er ist noch im Leib der kleinen ... was war sie gleich ... eine Waldläuferin? Aber es dürfte bald soweit sein, daß Euer Sohn das Licht der Welt erblickt. Euer Freund, dieser Nedastas, dürfte schon auf dem Weg sein, um Euch zu suchen und die Botschaft zu übermitteln", fügte Meijones tonlos hinzu.
Vergis nahm die Worte kaum wahr. Sie kamen dumpf und kaum hörbar an. Er war so geschwächt und ein kurzer Blick auf seine gegen den Bauch haltende Hand verriet ihm, daß er eine Menge Blut verloren haben musste. Und er spürte, daß er den Kampf gegen die Müdigkeit verlor. Er ergab sich und schloss die Augen ...
Sein Bauch brannte wie Feuer, und die Schmerzen ließen ihn schließlich erwachen. Nach wie vor hielt er seine Hand gegen den Bauch, und es kostete ihn Überwindung, diese für einen kurzen Moment von der pochenden Wunde zu nehmen. Die Blutung hatte aufgehört. Sein Hemd klebte an der verkrusteten Wunde. Er schaute zur Seite und erblickte den toten Ritter neben sich. Er lebte, und der Ritter war tot, eine innere Zufriedenheit machte sich breit. Die Worte des Dunkelelfen riefen sich zugleich in sein Gedächnis:
"... Eurem Sohn beim Wachsen und Gedeihen zusehen"
"Mein Sohn", flüsterte er und versuchte aufzustehen.
Die Schmerzen waren unbeschreiblich aber der Wunsch, Estifinas mit dem noch ungeborenen Kind zu sehen war so überwältigend, daß er all seine Kraft zusammennahm und sich sofort auf den Weg machen wollte.
Mit kleinen Schritten ging er den Weg ein Stück zurück, wo er sein Pferd an einem Baumstamm angebunden hatte. Er benötigte viel Kraft und Willen um aufzusteigen, aber er schaffte es schließlich und ritt den langen Weg zurück Richtung Waldläufercamp.
Neues Leben
Der Ritt war qualvoll. Sein Körper verlangte nach Ruhe, nach einer Pause, nach viel Schlaf, aber Vergis ignorierte ihn. Er musste Estifinas sehen, musste sich davon überzeugen, daß es ihr und dem Ungeborenen auch gut ginge.
Diese Ignoranz wurde mit Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit und schmerzenden Knochen bestraft. Immer wieder fiel er in einen Kurzschlaf und hatte Mühe, sich auf seinem Rappen zu halten. Es kam ihm so vor, als wenn die Sonne heller und heisser als sonst schien und ihn mit ihren Strahlen erbarmunglos verfolgte.
Er tastete seinen Bauch ab, dieser fühlte sich hart und heiss an. Die Wunde blutete zwar nicht mehr, aber sie war entzündet.
Auf halbem Wege kam ihn Nedastas entgegen. Vergis seufzte innerlich, er freute sich einerseits ihn zu sehen, andererseits wußte er, daß Nedastas ihn in seinem Zustand für die nächsten Wochen außer Gefecht setzen würde. Nein, er mußte zuerst seinen Sohn sehen. Einmal in seinen Armen halten ...
"Ich habe seit Tagen nach dir gesucht", waren Nedastas ersten Worte.
Vergis riss sich zusammen und lächelte gequält.
"Du wirst ...", Nedastas unterbrach sich selbst und schaute Vergis besorgt an: "Hast du Fieber?"
"Nein, ich ... das ist nichts, ich habe wohl nur zu lange auf kalten Steinen verbracht", lachte Vergis kurz auf und verfluchte sich innerlich dafür, denn die unsichtbaren Nadeln drehten sich gehässig in seinem Leib.
Nedastas musterte ihn misstrauisch, und Vergis zog instinktiv sein Hemd vor dem Bauch zusammen.
"Wenn du in Schwierigkeiten steckst ..."
"Nein ...", unterbrach Vergis genervt.
"Was du auch immer versucht vor mir zu verbergen, du weisst, daß du jederzeit zu mir kommen kannst."
Vergis nickte dankbar.
"Würdest du mir bitte zum camp folgen? Ich erzähle dir auf dem Weg dorthin alles."
"Ja."
Vergis war froh darüber, daß Nedastas während des Ritts die Wortführung übernahm. So erzählte er ihm von der bevorstehenden Geburt seines Sohnes, und auch wenn es Vergis einen tiefen Stich im Herzen versetzte, so freute er sich, daß ein Mann in Estifinas Leben getreten war, der ihr in ihrer jetzigen Lage zur Seite stand.
Am camp angelangt, begrüßte dieser Bestienfürst Nedastas und warf Vergis einen kühlen Blick zu. Nedastas stellte sich zu ihm und sagte leise an ihn gewand: "Sei friedlich und laß ihn zu Estifinas."
"Aber..."
"Wir haben darüber gesprochen und sind uns einig, daß wir Estifinas Wunsch respektieren sollten, laß ihn nun durch", sagte Nedastas bestimmt.
Widerwillig ging er einen Schritt zur Seite und pfiff nach seinem Hund. Träge kam dieser herangeschlichen und nahm neben seinem Besitzer Platz.
Vergis ging langsam vorbei, und leise zischte der Bestienfürst: "Ich werde Euch im Auge behalten."
Erst schaute Vergis zum Hund dann zum Halter: "Ihr solltet Eure Zeit sinnvoller nutzen, vielleicht mit einem Bad? Ich weiss nicht, wer von Euch mehr riecht."
Der Bestienfürst erhob seine Hand gegen Vergis, Nedastas ergriff sie und bog seinen Arm nach hinten: "Wollt ihr wohl aufhören?"
Vergis drehte dem gereizten Barbaren den Rücken und ging zu Estifinas Hütte.
Sie lag mit geschlossenen Augen im Bett als Vergis leise das Zimmer betrat. Ein paar Kerzen flackerten in dem abgedunkelten Raum. Vorsichtig setzte er sich auf das Bett, und sie öffnete die Augen.
"Vergis ... bist du es ...", freudig richtete sie sich auf.
Vergis lächelte und nahm ihre Hand.
"Langsam, bleib liegen."
"Du bist gekommen, ich freu mich so sehr, dich zu sehen", voller Rührseligkeit unterdrückte sie die aufkommenden Tränen.
"Und ich bin froh hier zu sein. Du bist noch viel hübscher geworden", liebevoll strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Verlegen schaute sie zur Seite, und Vergis musste kurz lachen, über die Freude Estifinas zu sehen vergaß er seine schmerzende Infektion.
Die Tür öffnete sich, Vergis brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, wer das Zimmer betrat. Estifinas schaute an Vergis vorbei zur Tür.
"Laß uns bitte für einen Moment alleine, Seleoram."
"Ich wollte mich nur vergewissern, daß es dir an nichts fehlt."
Estifinas schaute in das grinsende Gesicht Vergis und musste lächeln: "Nein, mir geht es gut, danke Dir."
"Wenn Du mich brauchst ..."
"Ja, ich weiß, Du bist in der Nähe."
"Also gut...", Seleoram schloss die Tür wieder.
Estifinas legte ihre Hand unter Vergis Kinn und hob seinen Kopf an. Sie sah seinen amüsierten Blick und musste lachen:
"Ja, ich weiss was Du denkst, aber er ist gut zu mir. Und er hat mir zur Seite gestanden."
"Ich habe es gehört, und es tut mir leid, daß ich mich lustig gemacht habe. Und noch mehr tut mir leid, daß ich erst jetzt von der Schwangerschaft erfahren habe."
"Nein, dir brauch nichts leid zu tun, ich hätte es nicht verkraftet, wenn du schlechten Gewissens bei mir geblieben wärst."
Sie strich Vergis über die Wange.
"Bist Du krank? Du fühlst dich heiss an...", stellte sie besorgt fest.
"Ach das", Vergis nahm ihre Hand aus seinem Gesicht, küßte sie kurz und hielt sie dann auf seinem Bein fest "ich habe wohl nur zuviel Nächte unter freiem Himmel verbracht, das wird schon wieder", verharmloste Vergis dieses.
"Würdest du mich in den Arm nehmen?"
Vergis drehte sich und legte sich neben sie. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Brust, und er strich ihr zärtlich durch das Haar. "Nichts lieber als das", flüstere er und küßte sie auf die Stirn.
Sie lächelte und schmiegte sich fester an.
Estifinas stellte Vergis viele Fragen, wie es ihm ergangen war, wo er sich aufgehalten hatte und wollte seine ergreifensten, lustigsten, abenteuerlichsten Geschichten hören. Es strengte ihn an, und er war erleichtert, als sie endlich eingeschlafen war.
Erschöpft fiel auch Vergis in den Schlaf.
"Vergis ... Vergis ...", vorsichtig rüttelte sie an seiner Schulter.
"Hmmm...?", verschlafen öffnete er seine Augen.
"Es geht los ... bitte hole Hilfe, ja?"
"Was?", einen kurzen Moment musste Vergis nachdenken, wo er sich gerade aufhielt, als ihm dieses Bewußt wurde, stand er abrupt auf. Er stöhnte auf und hielt sich den Bauch.
"Vergis! Was ist los?", erschrocken schaute sie auf den zitternden Körper.
Er konnte nicht sofort antworten. Die Schmerzen waren so stark, daß wenn er etwas gesagt hätte, aufgeschrien hätte.
"Nichts ... es ist nichts ... ich ... hole Hilfe", Vergis ging in geduckter Haltung zur Tür. Wie erwartet stand der "Leibwächter" vor der Tür.
"Estifinas ... ich meine, es geht los, die Wehen setzen ein", bemühte er sich, in einem ganzen Satz zu reden.
Seleoram setzte sich sofort in Bewegung und kam wenige Minuten später mit zwei Waldläuferinnen wieder. Diese gingen schnellen Schrittes an den beiden Männern vorbei und schlossen die Tür vor Seleorams Nase als dieser sich gerade hinterherschleichen wollte.
"Paß auf sie auf", sagte Vergis leise. Er hatte sich gegen die Wand gelehnt. "Und sorge gut für sie und meinen Sohn."
Seleoram schaute zu Boden: "Das werde ich, ich verspreche es. Entschuldigt mein Verhalten von vorhin, aber ich dachte, Ihr würdet sie von mir nehmen ... ", er schaute nun auf und blickte zu Vergis. Dieser sackte immer mehr zusammen und reagierte nicht auf seine Worte. Seleoram machte einen Satz zu ihm und packte ihn unter die Arme bevor dieser zusammenbrach.
Er hörte die leisen Stimmen.
"Ich weiß nicht, ob er das durchsteht, die Infektion ist ziemlich weit fortgeschritten. Und das Fieber will nicht sinken."
"Vielleicht hilft ihm ein Blick auf seinen Sohn, damit er kämpft."
"Wenn er das denn bewußt wahrnimmt ..."
Vergis öffnete die Augen.
Nedastats saß neben ihm auf dem Bett, und daneben stand eine der Waldläuferinnen, die Estifinas bei der Geburt behilflich war, ein Bündel im Arm haltend.
Er wollte sich aufrichten, aber der Versuch scheiterte. Die Schmerzen waren zu stark, und auch Nedastas bekam das sofort mit und drückte ihn an der Schulter gleich wieder herunter.
"Nix da, du bleibst liegen. Es scheint mir, daß die Steine, auf denen du gelegen haben musst, ziemlich scharf geschliffen waren, hm?" Nedastas Stimme klang vorwurfsvoll.
Vergis schaute sehnsüchtig auf das Bündel.
"Darf ich dir deinen Sohn vorstellen ...", Nedastas nahm das Bündel entgegen und hielt es vorsichtig neben Vergis Kopf. Vergis strich die Decke ein wenig zur Seite und schaute in das Gesicht des kleinsten, verletzlichsten, hübschesten Lebewesens was ihm je untergekommen war. Friedlich lag sein Sohn in der Decke und schlief. Er rieb seinen Finger auf der Handfläche des Neugeborenen, und die kleine Hand ergriff ihn sofort. Voller Glück, Freude und Dankbarkeit beobachtete er seinen schlafenden Sohn. Stunden hätte er noch so verbringen können.
"Estifinas braucht den kleinen Burschen nun zurück. Er ist wie Du, wenn er seinen Willen durchsetzen will, in dem Fall seine Milch, dann setzt er seiner Umgebung ganz schön zu", feixte Nedastas.
Es fiel ihm schwer, das Bündel herzugeben, aber er verstand auch, daß das Wichtigste im Moment für ihn seine Mutter war. Nedastas reichte das Bündel der Waldläuferin, die daraufhin die Hütte verließ.
"Ich danke Dir, mein Freund", sagte Vergis leise.
Nedastas atmete tief ein. "Du ... Du siehst zu, daß du zu Kräften kommst und gesund wirst. Denn ich kann mich nicht ständig um zwei Dickschädel kümmern. Deinen Sohn werde ich ja wohl die nächsten Jahre um mich herum haben, hm? Wäre schön, wenn du dich ebenfalls ab und an mal blicken lassen würdest. Gesund und munter, wenn sich das einrichten ließe, bitteschön."
Vergis versuchte zu lächeln. "Und Estifinas geht es gut?", das Reden fiel im schwer.
"Ihr geht es sehr gut. Sie ist natürlich ein wenig müde, aber sie hat das prächtig gemeistert. Du dagegen hast ihr einen ganz schönen Schrecken versetzt."
Nedastas legte seine Hand auf Vergis Stirn, sein Blick verriet Vergis, wie ernst es um ihn stand. "Ich werde deine Wunde neu verbinden und dann musst du schlafen."
Vergis nahm diesen Befehl sofort an, schloss seine Augen und schlief ein bevor Nedastas mit der Versorgung seiner Wunde fertig war.
Illusionen
"Du musst sie vernichten ... Du musst die Brut vernichten. Es bleibt keine Zeit mehr. GehŽ und spür sie auf und vernichte sie ..."
Bevreks Beine fühlten sich schwer an. Das Vorankommen auf diesem nebelbedeckten Weg war beschwerlich.
Am Wegesrand kamen ihm in kleinen Abständen weißgekleidete Gestalten entgegen. Ein Blick in die ausdruckslosen, bleichen Gesichter mit den blutunterlaufenen Augen ließ ihn eine Gänsehaut über den Rücken fahren. Ihr Gesang war eine Mischung aus Gejammer und Gebet. Je näher er dem Dorf kam desto schmaler wurde der schlammige Weg. Die Kreaturen am Wegesrand waren bedrohlich nah, ihre dünnen Arme griffen nach ihm und zerrten an seinen Ärmeln. Panisch riss er sich los und stieß die Kreaturen von sich. Er bemühte sich, schnell zu laufen, aber er hatte das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen, stolperte über Skelette und zuckte hysterisch zusammen als sein Fuß in einem solchen steckenblieb. Bevrek schlug angewidert mit dem Fuß hin und her und verlor dabei seinen Schuh. Dann endlich sah er das Dorf unmittelbar vor sich. Ein beißender Geruch machte sich breit. Ein Gestank von Feuer, Rauch, verbranntem Fleisch ... sein Magen drehte sich, und er kämpfte gegen die aufkommende Übelkeit an. Die ersten Häuser waren nun zu erkennen. "Nur das Haus finden und dann nichts wie weg hier", dachte Bevrek bei sich. Er achtete weder auf das Gejammere noch auf den Gestank, zielstrebig ging er in die Dorfmitte. "Das Herz des Dorfes", schoss es ihm durch den Kopf. Dort stand es. Das Haus, größer als die anderen, dunkler als die anderen, baute sich bedrohlich vor ihm auf. Kurz blieb er davor stehen, schaute auf das Haus als würde er einem Gegner Auge in Auge gegenüberstehen. Er schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Dann ging er langsam zur massiven Holztür und stieß sie auf....
Im Inneren des Hauses war es stockfinster. Der Wind pfiff durch die Ritzen, so daß es sich nach leisem Gekichere anhörte. Bevreks Nerven lagen blank. Langsam setzte er einen Fuß vor den nächsten und versuchte sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Trotz des Windes und einer offensichtlich gar nicht existierenden Decke, denn es schien, als wären die Wände bis in den Himmel gezogen, war es regelrecht warm in dem Haus. Sehr warm...
Das Haus schien unbewohnt. Kein Tisch, keine Stühle, kein Bett, nur der Boden, die Wände und ... die Wiege. Langsam näherte Bevrek sich dieser. Die Wiege schaukelte leicht auf und ab, als würde die Mutter dahintersitzen und ihr Baby in den Schlaf wiegen. Aber es war niemand weiteres hier. Bevrek beugte sich vor, um in hineinsehen zu können. Dort lag das schlafende Kind. Er vermutete es zumindest. Wenn es nur nicht so dunkel wäre....
Er griff hinein und nahm das in Decken gehüllte "Etwas" in den Arm.
Mit einem Mal spürte er die Vibration - gewaltig wie ein Erdbeben. Der Boden unter ihm bewegte sich. Auch die Wände veränderten sich. So unglaublich das in diesem Moment war, aber das Haus lebte. Und aus dem Haus wurde ein gewaltiger rotbrauner Drache, der ihn in seinen riesigen Pranken hielt. Der Drache beäugte Bevrek, und unter der Kraft der Pranken konnte Bevrek seine Rippen brechen hören. Die Pupille dieser Kreatur war so groß wie sein Kopf. Der heisse Atem brannte sich in Bevreks Gesicht und nahm ihm die Luft zum Atmen. Der Drache stieß einen wütenden Schrei aus und schleuderte Bevrek zu Boden. Gelähmt vor Angst und Schmerzen war er unfähig sich zu bewegen. Der Drache beugte sich zu dem kleinen in Decken eingepackten Kind, schnüffelte an diesem und grunzte sanft. Fast zärtlich scharte der Drache das Kind unter seinen schuppenbedeckten Bauch, bevor er sich wieder Bevrek zuwandte. Er beugte sich zu ihm herunter und blies ihm den heissen Atem entgegen. Bevrek glühte, und er nahm den unangenehmen Geruch von verbranntem Fleisch war. Er schaute an sich herunter und sah, daß seine Haut in Fetzen herunterhing. Er begann zu schmelzen. Bevrek wimmerte: "Nein ... nein ...
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.... nein .... NEIN...", kerzengerade und schweißgebadet saß Bevrek im Bett.
"Was ... ist los?", verschlafen setzte sich nun auch seine Frau auf und streichelte ihn am Rücken "Ein schlechter Traum?"
Bevrek rieb sich das Gesicht und nickte.
"Ein Glas Wasser oder Milch vielleicht?"
"Danke, ich hole mir das schon selber, Shiala", Bevrek drehte sich zu seiner Frau und küßte sie kurz auf die Wange. Er ließ sein wildschlagendes Herz kurz zur Ruhe kommen und stand dann auf, füllte sich einen Becher mit Wasser und trank diesen in einem Zug leer. Er setzte sich wieder aufs Bett und seine Frau küßte ihn am Hals.
"Mmmh", brummte er grinsend "wollt Ihr mir zu angenehmeren Träumen verhelfen?"
Sie lachte leise: "Es wäre mir eine Ehre, der Herr".
Er drehte sich zu ihr, küßte sie zärtlich und drückte sie sanft zurück .... als plötzlich die Tür aufsprang und Mariels im Türrahmen stand: "Vater ... Mutter ...", sie war in Tränen aufgelöst und machte einen verwirrten Eindruck.
"Mein Schatz, was ist passiert?", Shiala löste sich aus der Umarmung Bevreks und sprang aus dem Bett.
"Ich ... ich habe Vater mit dem Drachen gesehen ... alles war so heiss und du bist ... verbrannt", schluchzte Marseils.
Bevrek stockte der Atem.
"Was geht hier vor?", Shiala schaute von ihrer Tochter zu ihrem Ehemann.
"Ich weiß es nicht ... ", Bevrek stand auf und zog sich an. "Wir müssen los, Marseils, ich denke, es wird nicht ohne dich gehen."
Marseils nickte.
"Was ... was denn? Will mir einer von euch eine Erklärung geben ... ?", Shiala schrie hysterisch auf.
Bevrek nahm sie in den Arm: "Wir passen auf uns auf, das weißt du." Er küsste sie zärtlich auf die Stirn.
Zur gleichen Zeit:
"Dein Kind ... mein Kind ... unser Kind ....", Vergis hörte das Jammern ganz deutlich.
"Du musst was tun, es ist in Gefahr. Sie wollen es uns nehmen, sie wollen es töten, unser unschuldiges Kind. Tu was .... TU WAS!"
"....was? Von wessen Kind redest du?"
"Von deinem Kind, von meinem Kind, von unserem Kind .... ", Vergis hörte die Verzweiflung in der Stimme, die er nur schwer einem Geschlecht zuordnen konnte.
"Ganz ruhig ... wer bist du und wo bist du?"
Stille....
"Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, wer ..."
"Tu was, dein Kind wird sonst sterben"
"Mein Kind? Das ist in Sicherheit bei seiner Mutter ..."
"Sei nicht so leichtgläubig!"
Bilder strömten in Vergis ein, er sah seinen Sohn friedlich in der Wiege liegen, und er spürte die Wärme und eine starke Zuneigung - er lächelte.
Mit einem Mal wurde sein Bild zerstört, er sah sein Kind auf kaltem Steinboden liegen. Es roch nach Tod, und er hörte von irgendwoher ein leises Weinen. Vergis konzentrierte sich auf das kleine Bündel ... es atmete nicht mehr. Sein Sohn war tot!
Vergis schlug um sich, und Nedastas hatte Mühe, ihn festzuhalten. "Ich brauche Hilfe, sonst reißt die Wunde auf, und er stirbt uns unter den Händen weg!"
Seleoram trat an die andere Seite des Bettes und drückte Vergis an den Schultern ins Kissen während Nedastas ihn an den Beinen festhielt.
"Soll ich ihn schlagen?", Seleoram hatte trotz seiner Kraft in den Armen, Schwierigkeiten Vergis zu halten.
"Ha, ja, das könnte dir so passen, hm?", scherzte Nedastas ironisch.
"Ernsthaft, wenn er bewußtlos ist, bleibt er doch ruhig ... oder?"
"Ich weiß nicht .... "
"Nedastas ... hilf ....", Vergis bäumte sich auf.
"Er spricht im Fieberwahn", kommentierte Nedastas "Ich bin hier, mein Freund, und ich helfe dir."
"Nein ... nein ... nicht mir, hilf meinem Sohn ... bitte!"
"Dem gehts gut", lachte Nedastas.
"Er ist ... in Gefahr. Jemand ist auf dem Weg ... hierher ... um ihn zu töten.
"Wer sollte Interesse daran haben, einen Säugling zu töten"
"Ich weiß nicht ... wer. Aber ich werde es herausfinden." Vergis atmete flach und hektisch.
"Du bleibt liegen und wirst gesund. Wenn du das überstanden hast, kannst du deinen Sohn so oft sehen wie du magst", Nedastas strich ihm kurz über das Bein.
"NEIN, laß mich zu ihm!", schrie Vergis auf.
"Nur über meine Leiche"
"Zwing .... mich nicht, Nedastas", Vergis schlug die Augen auf und schaute seinem Freund in die Augen.
Nedastas sah, wie ernst es Vergis war, und er wich seinem Blick aus. "Es hilft nicht, schlag ihn, Seleoram"
Seleoram ließ sich nicht zweimal bitten, holte weit aus und schlug Vergis mit der Faust ins Gesicht.
sämtliche Beträge wurden von Daleone geschrieben
Gebe einem Menschen Macht und du weißt wie er wirklich ist.
Die Shard-Mami
Magie ist Tofu