Sanft flackert die Kerze auf dem Tisch, als Cadrach sich vom offenen Fenster
abwendet und dieses schliesst. Seufzend blickt er zu dem Tisch hinüber, auf
dem einige unbeschriebene Pergamente liegen, die er nachdenklich mustert.
Ein Becher voll Wein steht gleich neben Tinte und Feder, doch Cadrach kann
den Blick nicht von den Pergamenten lassen, die ihn einerseits auf eine ganz
besondere Weise anzuziehen scheinen, im andererseits jedoch ein flaues
Gefühl in der Magengegend verursachen. Erneut seufzt er und blickt kurz
zu Boden, ehe er langsam zum Tisch hinüber geht und sich auf dem Stuhl
niederlässt.
Lange blickt er auf den Stapel Pergamente und ergreift dann das oberste
von diesen, um es sorgfältig vor sich zu legen. Sein Blick wandert noch ein
mal zum Fenster, ehe er sich dem Tintenfässchen zuwendet und dieses so
vorsichtig wie möglich öffnet, wie um zu verhindern, dass ein Tropfen des
kostbaren Inhalts verschüttet werden könnte. Sanft, beinahe liebevoll,
nimmt er dann die Feder in die Hand, ehe er ein weiteres mal seufzt und
diese in das Tintenfässchen taucht. Die Hand mit der Feder schon über
dem Pergament, hält er noch ein mal kurz inne und schliesst die Augen,
um ein kurzes Gebet gen Alornus zu murmeln. Alsdann beugt er sich über
das Pergament und beginnt, die ersten Worte niederzuschreiben.
Niedergeschrieben am sechsten Tage des Xauron
im Jahre 1605 seit Beginn des sechsten Zeitalters
Möge Alornus mir vergeben und meiner Seele dereinst Frieden schenken,
obgleich ich doch mehr als ein mal gefehlt habe in all den Jahren, die ich
ihm nun diene. Man sagt, seine Liebe zu den Menschen sei unermesslich,
doch ist es wohl von ihm gegeben, dass jene die meiste Zeit ihres langen
Lebens diese Liebe nicht erwidern. Ich, Cadrach MacDougal, der ich vor
der mir bekannten Zeit die Weihe zum Priester habe erfahren dürfen,
habe diese Liebe dereinst erfahren dürfen und sie wohl auch erwidert,
doch das mir von Alornus gegebene Schicksal hat mich einen weiten
Weg geführt, der mich meinem Herrn entfremdet hat.
Jeder neue Tag bringt für mich die gleichen Fragen, doch die Antworten
darauf mögen entweder tief verborgen in den Herzen jener Menschen
liegen, denen ich tagein, tagaus begegne, und mit denen ich spreche
und interagiere, oder nur Alornus selbst mag sie kennen und ist wohl
nicht bereit, sie mir zu geben, bevor ich nicht den Weg zu ihm zurück
gefunden habe. Ihr, der ihr diese Worte dereinst lesen möget, fragt
euch gewiss wie es dazu kommen konnte, dass ich mich, mein Leben
und meinen Glauben in Frage stelle, doch sei euch versichert, dass
ich hier und jetzt bereit bin, über meine Beweggründe zu berichten
und diese schonungslos aufzudecken.
Es war ein Tag wie jeder andere, soweit ich mich entsinnen kann, als mein
Weg mich spät abends wohl in die Taverne zu Cotswold führte. Ich weiss
nicht, welchen Grund ich hatte, dort einzukehren, auch weiss ich nicht was
mich dazu bewogen haben mag, mich derart zu betrinken, doch hat jener
Abend mein Leben von Grund auf verändert.
Es muss wohl schon spät in der Nacht gewesen sein, da ich die Taverne
verliess und den Weg gen Camelot einschlug, doch war es offenbar nicht
Alornus' Wille, dass ich dort ankommen möge. Viel weiss ich heute nicht
mehr über das, was an der Brücke vor Camelot geschah, auch kann ich
nicht sagen, warum keine der Wachen dort mir zur Hilfe eilte, doch ich
vermag euch zu berichten, dass wohl meine vom Wein benebelten Sinne
zu jenem Zeitpunkt nicht mehr funktionierten, so dass ich wohl stark
schwankend den geraden Weg verliess und den Rand der Brücke noch
vor dem Wasser erreichte, wo das Unglück seinen Lauf nahm.
Vielleicht seid ihr, werter Leser, auch schon ein mal des Nachts über jene
Brücke von Cotswold nach Camelot geschritten, und es mag euch dabei
aufgefallen sein, dass diese, wohl benetzt von der Feuchtigkeit, die aus
dem Wasser aufsteigt, glitschig sein mag und man Gefahr läuft, auf der
Brücke auszurutschen und zu stürzen, so man nicht die nötige Vorsicht
walten lässt oder falsches Schuhwerk tragen mag. Oder aber, man ist
so betrunken, wie ich es war, dass man gar nicht bemerkt, wie man sich
dem Rand nähert und dabei ausgleitet, unfähig, seinen Körper schon auf
geradem Wege im Gleichgewicht zu halten und derart benebelt dass man
erst begreift, was geschieht, wenn es geschehen sein mag.
So glitt ich also auf den feuchten Steinen aus und fiel, doch sollte ich nicht
das Glück haben, einfach mit dem Hintern auf den Steinen zu landen und
mir lediglich den Steiss zu prellen, wie man es in einer solchen Situation
oft erleben mag. Mein Sturz mag wohl in ebenso unglücklich vonstatten
gegangen sein, wie manches mal ein mit Butter bestrichenes Brot vom
Tisch fallen mag und dabei stets mit der bestrichenen Seite zuunterst
auf den Boden fällt.
So kam es also, dass ich mit dem Kopf wohl auf der äusseren Kannte
jener Steine aufschlug, die den seitlichen Abschluss der Brücke bilden,
und dass ich wohl mein Bewusstsein verlor, doch vermag ich dies nicht
mit Gewissheit zu sagen, denn die Dinge, die unmittelbar nach meinem
Sturz geschahen, entziehen sich ebenso meiner Kenntnis, wie auch der
grösste Teil meines Lebens, das vor jenem Zeitpunkt stattgefunden hat.