Swabantje [Nevera]

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Swabantje [Nevera]

Beitragvon Aestiva am Sa 22. Dez 2007, 23:39

„Hör zu, Hafad. Es war schön, es war leidenschaftlich, und ich werde an Dich zurückdenken. Aber ich kann Dir nicht mehr geben.“

Die Frau mit den herben Gesichtszügen stützte sich liegend auf einen Ellbogen und strich dem hochgewachenen Mann mit dem Finger über die nackte dunkelhäutige Brust. Ihr Gesichtsausdruck war ein wenig traurig, als sie sah wie schwer ihr Bettgefährte es nahm.

„Weißt Du... ich mag Dich wirklich. Du bist aufmerksam, Du bist zärtlich. Du nimmst nicht nur, Du gibst auch. Es liegt nicht an Dir. Ich bin das Problem, nicht Du.“

Einen Moment senkte sie den Kopf, bevor sie aufstand und sich ankleidete. Regungslos beobachtete ihr Bettgefährte sie, er wusste dass noch eine Erklärung folgen würde. Nach einer Weile, nachdem Swabantje schon in der Tür gestanden hatte, drehte sie sich wieder um und setzte sich auf den Rand des Lagers, das sie in der Nacht geteilt hatten.

„Ich versuche es zu erklären. Ich werde ein wenig ausholen müssen.

In der Gesellschaft meines Volkes sind Krieger sehr angesehen. Alles dreht sich bei uns um sie. Ruhm und Ehre erringt man im Feld durch grosse Tapferkeit. Man erschlägt nicht viele schwache Feinde, darin liegt kein Ruhm. Die wahre Ehre unter den Veteranen liegt darin, dass man die stärksten Gegner des Feindes einzeln herausfordert und besiegt. So wird man ein wirklicher Held, ein wahrer Lothriner.“


Sie machte eine Pause und sah auf ihre vernarbte Hand mit den Schwielen hinab, die sich durch den jahrelangen Gebrauch ihrer geliebten Langaxt gebildet hatten.

„Mein Vater war einer der Grössten unter ihnen. Nach jedem Feldzug hingen Dutzende von Köpfen erschlagener Feinde vor unserer Tür – bei uns ist das so Brauch. Ich hatte keinen grösseren Wunsch, als ihm nachzufolgen. Genau wie meine drei älteren Brüder es wollten.“

Swabantje vergewisserte sich mit einem schnellen Blick, dass Hafad ihr zuhörte. Dann sprach sie gemessen weiter, während sich ihre Gesichtszüge verhärteten.

„Mein Vater war der Ansicht, dass eine Frau nichts im Felde zu suchen hat. Sie seien schwach, zu mitleidig, hätten kein Feuer. Also lernten meine Brüder die Kriegskunst bei ihm, dem besten Lehrmeister den man sich vorstellen kann. Und ich... ich lernte das Handwerk einer Bäuerin auf unserem Hof beim Pächter meines Vaters. Aber ich fand mich nicht damit ab. Ich konnte es nicht. Immer wenn ich nach Hause kam, klirrten hinter dem Haus die Schwerter, klirrten die Beile und Äxte auf Schilde, hörte ich das Schnaufen und Stampfen meiner Brüder beim Training. Sie lernten alles, was ich wollte. Und ich – ich musste Kühe melken und Ställe ausmisten. Musste in der Kälte, im Regen, in der prallen Sonne auf dem Feld arbeiten, bis mein Rücken sich anfühlte als bestünde er aus glühendem Stahl und bis ich meine Beine nicht mehr fühlen konnte. Ich war nahe daran aufzugeben. Ich wollte einfach eines Tages aus der Luke des Heuschobers auf die Steine einige Meter darunter springen. Aber dann änderte sich mein Leben.“

Nun war es der Frau offensichtlch egal, wer ihr noch zuhörte oder nicht. Sie hatte einen Punkt in der Luft fixiert und sprach weiter.

„Ein neuer Knecht kam. Ein alter, schmutziger, hässlicher, hinkender Mann mit Knochen, in denen er jeden Weitterumschwung fühlen konnte. Er sah mich und wusste wie es um mich stand. Und er unterrichtete mich. Wir benutzten grosse Harken als Hellebarden, Mistgabeln als Speere. Die Hämmer aus der Schmiede waren Waffen, genau wie die Zaunlatten und die Dreschflegel. Mein grosses Ziel war, dass ich eines Tages meine Brüder besiegen und meinem Vater damit meinen Wert beweisen konnte. So sehr, dass er auch mich ausbildete. Immer wenn ich dieses Ziel meinem Lehrer nannte, schüttelte er seinen alten kahlen Schädel. Aber er sagte nichts.

Dann kam der Tag, an dem wir nach getaner Arbeit nicht wie sonst den Kampf übten. Stattdessen führte mich der alte Kämpfer in die Scheune und stellte mich vor den Wagen, der mit grossen hölzernen Wasserfässern beladen war. Und er sagte mir, dass ich nach Ende der Lektion ein Loch in eines der Fässer schlagen würde. Mit der Faust.

Weißt Du... so ein Wasserfass ist stabil. Es besteht aus speziellem Holz, ist mit eisernen Reifen verstärkt. Um ein Loch hineinzuschlagen, muss man mit einem Hammer sehr fest zuschlagen. Oft. Deshalb konnte ich ihm nicht glauben, doch ich sagte nichts.

Wir setzten und auf den Rand der Pferdetränke und er begann sein Wissen über mich und meine Sehnsüchte, Träume und Ängste zu benutzen um in mir einen Dämon zu wecken. So nannte er es. Er sagte dass an dem dunklen Ort in mir, dort wo meine unangenehmen Erinnerungen, meine dunklen Begierden, meine peinlichen Erlebnisse und meine kleinlichen Gefühle wie Neid, Hass und Gier stecken, ein Dämon lebt und sich dort suhlt. Dass er sich von mir nährt, dass er meine dunklen Gefühle anstachelt und meine Trauer, meine Abscheu, meinen Hass und meine Scham in sich hineinschlingt. Und dass ich nur ganz genau in mich hineinhorchen solle um ihn zu fühlen. Wie er sich dreht, schleimig wie er ist, sich windet, unangenehme Erinnerungen zu Tage fördert, wie er flüstert, wie er schmeichelt, wie er alles tut um meine Gier und meinen Hass zu fördern.

Und es war wahr. Wenn ich mich nur genug auf den Bereich gerade über meinem Magen konzentrierte, wenn ich nur an genug Unangenehmes dachte, konnte ich die Bewegungen fast fühlen. Mir ekelte vor mir selber.“


Als Swabantje sah dass ihr Bettgefährte etwas sagen wollte, winkte sie ab. Natürlich wusste sie längst, dass es sich keinesfalls um einen Dämon handelte. Dass jeder Mensch solch einen Ort in sich hatte.

„Er fuhr fort mich zu reizen, er fuhr fort den Dämon zu füttern wie er es nannte. Und irgendwann wurde es zuviel. Ein Damm in mir brach und meine jahrelange Enttäuschung, die nicht erwiderte Lieber einer Tochter zum Vater, meine Eifersucht brach sich Bahn. Brodelnder, schwarzer Hass schoss durch meine Adern. Sengend heiss erreichte er jede meiner Poren, brach als Schweiss aus meiner Haut, liess meine Haare zu Berge stehen. Und noch immer schrie er mich an. Schrie mir zu, dass ich nur mit Hilfe dieser Energie meine Brüder besiegen würde. Und ob ich den Preis zahlen wolle.

Als ich später am Abend das Loch im Wasserfass ansah, wusste ich die Antwort. Ich wollte es nicht. Ich nahm mir eine Schaufel und begrub den alten Landsknecht. Seinen Kopf, mit dem ich das Wasserfass eingeschlagen hatte und der in einem seltsamen Winkel von seinem Körper abstand, bettete ich auf einen Armvoll Stroh, so dass er weich lag auf seinem letzten Lager. Und dann verliess ich meine Heimat und nahm meinen jetzigen Namen an.“


Sie sah den jungen Mann in dem Bett lange an.

„Warum das nun uns beiden im Wege steht?

Der Dämon ist noch da. Er flüstert, er lockt, er schmeichelt, er droht, er zerrt an mir, er schimpft, er reizt mich. Immer. Und wenn er mich in einem schwachen Moment erwischt, dann kann ich ihn nicht immer bremsen.“


Sie schüttelte den Kopf.

„Glaub mir, Du willst mich vielleicht im Kampf in Deiner Nähe haben. Auch im Bett willst Du das gelegentlich. Aber niemals willst Du mir den Rücken zukehren wenn wir uns einmal gestritten haben. Du willst Dir nicht mein Leben anvertrauen, willst mir nicht Deine Seele öffnen. Glaube es mir.

Auch wenn ich weiss, dass es kein Dämon ist sondern nur ich selbst. Dass es meine eigenen Gefühle sind. Ich kann es nicht kontrollieren. Sei nicht traurig, Haflad. Sei froh dass ich gehe.


Noch einmal schüttelte sie bedauernd den Kopf und küsste den Dunkelhäutigen kurz aber zärtlich. Und dann ging sie aus der Tür, ohne noch mal zurückzusehen. Swabantje Stahlhand.

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